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Lars-Wilhelm Baumgarten und sein Liberty Racing "Over the Moon"

Autor: 

Frauke Delius

TurfTimes: 

Ausgabe 775 vom Freitag, 07.07.2023

Fantastic Moon wollte den Lorbeerkranz nicht: Lars-Wilhelm Baumgarten erfüllt sich mit dem ersten Derbysieger einen Lebenstraum.. ©galoppfoto - Frank SorgeFantastic Moon wollte den Lorbeerkranz nicht: Lars-Wilhelm Baumgarten erfüllt sich mit dem ersten Derbysieger einen Lebenstraum.. ©galoppfoto - Frank SorgeNormalerweise ist Lars-Wilhelm Baumgarten eher ein Lautsprecher, kein Leisetreter. Doch an diesem Wochenende fehlten dem umtriebigen Galoppgetriebenen doch fast die Worte. Drei Grupperennen hat er mit Pferden gewonnen, für die er als Manager, Mitbesitzer und Frontmann verantwortlich ist. Allen voran natürlich das Derby, "mein Traum seit ich vor 35 Jahren das erste Mal in Hamburg dabei war", mit Fantastic Moon (Sea The Moon) mit Rene Piechulek für Trainerin Sarah Steinberg und für das Syndikat Liberty Racing 2021, seinem ganz besonderen Projekt. Denn das ist ein Syndikat mit 22 Anteilseignern, die jeweils 25.000 Euro eingezahlt haben. Angelockt von dem Versprechen, „Den Traum vom Derbysieg und großen Siegen zu erleben!“, wie es auf der Webseite zu lesen ist. Und dieser Traum wurde nun schon bei der zweiten Auflage dieser Idee einer illustren Besitzergemeinschaft wahr. Und mehr noch.

Assistent gewinnt den Großen Hansa-Preis, Gr. II: Zusammen mit Eckhard Sauren, in dessen Dress des Sea The Moon-Sohn jetzt läuft, sind auch die Mitglieder von Liberty Racing 2020 mit auf dem Geläuf, denen noch ein 10 Prozent Anteil gehört. ©galoppfoto - Frank SorgeAssistent gewinnt den Großen Hansa-Preis, Gr. II: Zusammen mit Eckhard Sauren, in dessen Dress des Sea The Moon-Sohn jetzt läuft, sind auch die Mitglieder von Liberty Racing 2020 mit auf dem Geläuf, denen noch ein 10 Prozent Anteil gehört. ©galoppfoto - Frank SorgeTags zuvor hatte Assistent (Sea The Moon) den Wettstar Großen Hansa-Preis, Gr. II, gewonnen, das Pferd, das seinem allerersten Syndikat in die Erfolgsspur verholfen hatte. Und die Mitglieder von Liberty Racing 2020 waren auch zahlreich vertreten, um den Sieger vom Geläuf abzuholen, auch wenn dieser mittlerweile in den Farben von Eckhard Sauren, dem Kölner Vereinspräsidenten läuft, und nur noch die blaue Mütze mit dem goldenen Bommel anzeigt, dass man noch eine Minderheitenbeteiligung von 10 Prozent hat. Der Freude tat das keinen Abbruch. Und da einige Mitglieder in beiden Syndikaten vertreten sind, war das die perfekte Vorbereitung, auf das, was dann noch kam.

Der Sonntag begann für Lars-Wilhelm Baumgarten mit einem Sieg seiner von ihm selbstgezogenen Muskoka (Sea The Moon) unter Augustin Madamet, die er in einer Besitzergemeinschaft dem ehemaligen Fußball-Profi Nick Proschwitz unter dem Namen Stall Golden Goal hat. Dann kam das Derby, in dem er mit Liberty Racing 2021 durch Fantastic Moon und Winning Spirit (Soldier Hollow) die Plätze 1 und 4 belegt und direkt danach gab es einen weiteren Sieg für das Syndikat. Im hochdotierten Hapag Lloyd BBAG-Auktionsrennen gewann Orofina (Australia) unter Antonio Orani gemeinsam mit Stall Grafenbergs Pyrus (Cracksmann) im toten Rennen. Mehr geht nicht. 

Die schwarze Sonnenbrille als Markenzeichen: Unser Karikaturist Miro hat deshalb gleich alle Beteiligten am großen Derbyerfolg damit ausgestattet ... ©Turf-Times/Miro-CartoonDie schwarze Sonnenbrille als Markenzeichen: Unser Karikaturist Miro hat deshalb gleich alle Beteiligten am großen Derbyerfolg damit ausgestattet ... ©Turf-Times/Miro-CartoonSo fiel die letzte Folge von "Radio Felicitas", einem Podcast, mit dem Baumgarten in den heissen Wochen vor dem Derby auf Dauersendung war, unerwartet kurz aus. Und leise. Fast demütig. Kein Staccato mehr. Der Hansdampf-in-allen-Gassen war hörbar angefasst. Over the Moon. Da ist ihm ein ganz großer Coup gelungen. "Das war ein sehr emotionales Wochenende für mich", heißt es im Gespräch ein paar Tage nach dem Derby. Vor allem, dass auch seine Eltern dabei sein konnten, die ebenfalls Anteilseigner und Galoppsportfans sind. Die Rennbahn Bad Harzburg war die Wiege von allem, da kommt kein Anwohner der Kurstadt dran vorbei. Der Vater Wilhelm Baumgarten war sogar viele Jahre Präsident, der Sohn aber wollte noch mehr. Den Galopprennsport zum Beruf machen. Als Manager oder Buchmacher, weil für die eigene Jockeykarriere die Voraussetzungen fehlten.

Nach Jurastudium und einer einer Zeit als Sportjournalist zog es ihn nach Köln, wo er im Jahr 2000 unter dem damaligen geschäftführenden Vorstand Dr. Christoph Berglar Geschäftsführer von "Galoppmarketing" werden sollte. Doch dann passierten aus heutiger Sicht, wo alles dem Wettumsatz schaut und nach dem Wetter sucht, wundersame Dinge,. Denn ihm wurde zum Vorwurf gemacht, dass er Wetter sei und von daher  für eine verantwortungsvolle Aufgabe beim Dachverband für nicht geeignet erschien, „das habe ich sogar schriftlich“, so Baumgarten. Dass kurz darauf Berglar zurücktrag und ein geschäftsführender Vorstand installiert wurde, der als Voldemort des Galopprennsports in die Annalen eingegangen ist, den man lieber nicht mehr beim Namen nennt, darf als Ironie der Geschichte bezeichnet werden. In diese Ära fällt auch die Vernichtung der NTV-Telewette, der letzten dauerhaften TV-Präsenz. Es waren keine besonders rühmlichen Zeiten in der Rennbahnstraße 154 in Köln. Mit weitreichenden Folgen bis in die heutige Zeit. 

Es war ein Moment, der bitter schmeckte. Aber im Nachhinein wohl das Beste, was Baumgarten passieren konnte. Denn als Angestellter beim Dachverband hätte er sich vielleicht mal ein Bein von einem Pferd leisten können. Doch stattdesen machte er sich zusammen mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler Thomas Strunz mit der Agentur Stars & Friends selbstständig, betreute Fußball-Profis und irgendwann auch die Tennisspielerin Angelique Kerber, die als Höhepunkt ihrer Karriere der Australian Open gewann. Das war wie der Aufstieg von der Kreisklasse in die Bundesliga. Der Macher unter Volldampf. „Das war super für mich, ich habe viel Erfahrung gesammelt und viel Geld verdient." Aber 2018 zog  Baumgarten die Reißleine und verkaufte seine Agentur. Zuviele Kilometer im Auto, zuviel Hetze, zuviel persönliche Inanspruchnahme seiner Klienten und das Gefühl, dass da nichts mehr kommt, was ihn reizen könnte. Doch da war noch was, der Galopprennsport. Der auch nie ganz weg war. Und dann kam auch aus privaten Gründen noch der Umzug nach Köln. In Schlagweite des Galopper-Dachverbandes, der ihn einst verschmäht hatte. Mittlerweile sitzt er dort im Vorstand. 

Denn jetzt hatte Baumgarten ein ganz anderes Standing. War finanziell unabhängig. Und hatte, was fast noch wichtiger ist, um in der Szene ernst genommen zu werden, sportliche Erfolge vorzuweisen. Mit Pferden wie dem Derbyzweiten Django Freeman (Campanologist), der anschließend nach Australien verkauft wurde, oder Wonderful Moon (Sea The Moon), der das Union-Rennen gewann und im Derby als Fünfter wurde, sorgte er für Schlagzeilen. Dazu die klassische St. Leger Siegerin Kaldera (Sinndar) und die Gr. II-Siegerin Kalifornia Queen (Lope de Vega), die er zusammen mit Nick Proschwitz sogar gezüchtet hatte. Sie standen auch auf seiner Visitenkarte, als die Idee für die Gründung der Syndikate geboren wurde: Statt alleine das Risiko mit einem Pferd zu tragen, beteiligt sich jeder Anteilseigner an mehreren Pferden, die von Profis ausgesucht werden. "Jeder Anteil hat 25.000 Euro gekostet, damit sind wir nicht bei 'Aldi', aber wir können uns damit bei Auktionen in einem Preissegment bewegen, das sich ein einzelner kaum leisten kann." Und dabei baut Baumgarten auf die "Eagle Eyes" von fünf Leuten, die alle zustimmen müssen, damit es zum Kauf eines Pferdes kommt. Er selbst und seine Lebensgefährtin Nadine Siepmann gehören dazu, aber auch der Agent und frühere Gestütsleiter Wilhelm Feldmann, den alle nur Kojak nennen, dazu Dr. André Böhmer aus der Tierklinik Telgte, der zugleich der Pferde- Auktionstierarzt der BBAG ist, und der jeweilige Trainer, der das Pferd betreuen soll. Als Trainer sind derzeit Henk Grewe, Peter Schiergen und Sarah Steinberg gesetzt. Die eindeutigen Ziele sind das Derby und die Diana. Und dann Ende dreijährig der möglichst gewinnbringende Verkauf der Pferde. Ausnahmen, siehe Assistent, sind bei einem Mehrheitsentscheid möglich. 

Die Bilanz kann sich sehen lassen. Von acht Pferden insgesamt sind vier Black-Type-Sieger. Das erste Syndikat, Liberty Racing 2020, startete zwar etwas holprig und musste auf den ersten Treffer lange warten, weil vor allem der Hoffnungsträger Assistent gesundheitliche Probleme hatte. Nach einem 2. Platz beim Debüt in Hoppegarten musste er aussetzten, schaffte es aber gerade noch rechtzeitig in Hannover, sich als Sieger in einem Listenrennen noch für das Derby zu qualifizieren. Das war der erste Sieg für das Syndkat und nach seinem 4. Platz im Derby war man schon fast aus dem Schneider. Doch auch die andern drei Pferde Meergott (Adlerflug), Niagaro (Adlerflug) und Weston (Soldier Hollow) konnten gewinnen, Niagaro sogar ebenfalls auf Black-Type Quartett und wurde gut verkauft. Alle Anteilseigener bekamen 35.000 Euro für ihre Einlage von 25.000 Euro zurück. 

Umrundet: Die Anteilseigner von Liberty Racing 2021 und ihr Derbysieger Fantastic Moon mit Rene Piechulek. ©galoppfoto - Frank SorgeUmrundet: Die Anteilseigner von Liberty Racing 2021 und ihr Derbysieger Fantastic Moon mit Rene Piechulek. ©galoppfoto - Frank SorgeDas zweite Syndikat Liberty Racing 2021 hatte schon 22 Anteilseigner, auch der Präsident des Dachverbandes, Michael Vesper, ist mit an Bord. Schon vor dem Derby war man im Plus, mit dem da schon zweimaligen Gruppesieger Fantastic Moon und dem zweimaligen Listensieger und zweimal gruppeplatzierten Winning Spirit. Nach dem Derby-Meeting steht man bei einer Gewinnsumme von 650000 und es steht auch noch das Rennbahn-Debüt von Sydney Barman (Sea The Moon) aus. 

Das dritte Syndikat Liberty Racing 2022 ist schon auf 30 Anteile gewachsen und hat jetzt fünf Zweijährige Hoffnungsträger im Stall. Dabei wächst der Anteil von neuen Leuten stetig, "am Anfang waren es mehr die bekannten Gesichter, aber zunehmend melden sich auch Leute, die bisher noch nie ein an einem Pferd beteiligt waren."

Große Runde: Bei der Siegerehrung für den Sieg von Fantastic Moon wird es auf dem Podest eng. ©galoppfoto - Frank SorgeGroße Runde: Bei der Siegerehrung für den Sieg von Fantastic Moon wird es auf dem Podest eng. ©galoppfoto - Frank SorgeSeit dem Derby-Meeting klingelt das Telefon bei Lars-Wilhelm Baumgarten noch öfter. Heute kam eine Pressemitteilung heraus, in der von den weiteren Plänen zu lesen war. „In 2023 wird es mindestens drei neue Syndikate geben, wir sind angetreten, um den Mitbesitz von Galopp-Rennpferden zu promoten und zu ermöglichen, dazu stehen wir und setzen das jetzt um“, so Baumgarten. Und dabei ist es nicht mit der Gründung der Syndikate getan, denn die Erfahrung in Hamburg hat gezeigt, dass auch die Rennvereine dazu lernen müssen. "Die brauchen für solche Syndikate entsprechende Sitz und Catering-Bereiche, da gibt es noch viel Potential. Am Derbytag waren wir 46 Personen, darauf muss sich der Rennsport vorbereiten, wenn er über Syndikate wachsen will. Ich bin da täglich in Gesprächen mit der BGG und den Rennvereinen“, so Baumgarten weiter, der ja auch Vorstandsmitglied von Deutscher Galopp ist." Dem Vernehmen nach gab es in Hamburg wohl noch nicht einmal ausreichend Stühle für alle und das erste Essen wurde um 13:00 Uhr gereicht, als man sich so langsam auf den Weg zum Führring machen wollte. Da werden die australischen Syndikatsmitglieder große Augen gemacht haben, die deutschen Besitzer sind ja Kummer gewohnt. 

 

 

 

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