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Das Ebor Festival und das "International"

Die Frankel-Statue in York. www.galoppfoto.de - Jim Clark

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 431 vom Donnerstag, 18.08.2016

„Welcome to York“ grüßt den Autofahrer an den Einfallstraßen der Stadt, und das Welcome to Yorkshire Ebor Festival begrüßt den Rennsport-Fan hoch oben im Norden, in Englands größtem County. Was dem Süden Royal Ascot, ist dem Norden sein Ebor Festival. Ebor Festival. Ein Name als Statement, auch wenn mancher Rennsportfan glaubt, nur Cheltenham dürfte ein „Festival“ abhalten, so würde es kaum einer anderen Rennbahn einfallen das Flagship- Meeting des Jahres nach einem Handicap zu benennen Selbst wenn es sich um das höchstdotierte Handicap das Landes, Europas gar, handelt (Auch wenn der Name Ebor natürlich die altertümliche, lateinische Bezeichnung der Stadt York ist).

4.1 Millionen Pfund werden über die vier Tage an Preisgeld ingesamt ausgeschüttet, mit 280.000 Pfund steht das Ebor Handicap auf Platz fünf der finanziellen Reihung. Drei Gruppe I-Rennen kommen an den ersten drei Tagen des Festivals zur Austragung, von den das prestigereichste - und natürlich zugleich höchstdotierte - gleich am ersten Tag gelaufen wird, der mit einer Gesamtdotierung von 1.4 Millionen Pfund zugleich der „reichste“ Renntag ist, den die Rennbahn je abgehalten hat. Legendäre Pferde und Duelle fanden auf dem Knavesmire statt; und nachdem die aktuelles Edition des Rennens an Qualität und Quantität erneut Maßstäbe setze, welch besserer Zeitpunkt, etwas tiefer in die Geschichte der großen Rennen des Meetings einzutauchen, und Substanz zu einigen der großen Namen, die sich hier auf diesem wunderbaren Stückchen Land die Ehre gaben, zu geben?

Die Juddmonte International, wie das Rennen heute heisst, wurden 1972 erstmals ausgetragen, ältere Rennsport-Fans kennen es aus dieser Zeit unter dem Namen Benson & Hedges Gold Cup. Dieses Sponsoring hielt bis 1985, danach hiess das Rennen einige Jahre Matchmaker International, bis das Juddmonte Stud im Jahre 1989 das Sponsoring übernahm und das Rennen auf und neben dem Rasen bis heute prägt. So wie ein jeder Jockey und Trainer so dringend ein Pferd benötigen, welches die Karriere frühzeitig auf die Erfolgsspur bringt, so hätte die Rennbahn York keine bessere erste Austragung erfinden können;  es wurde ein Rennen, berühmt-berüchtigt, herzzerreißend und erstaunlich, eines der meistdiskutierten seiner Zeit, die erste und einziges Niederlage einer Ikone des Sports, ausgeführt von einem Pferd, das - ohne sein Zutun - sowieso schon wenig Freunde unter den Rennsport-Fans hatte. Der große Brigadier Gerard, in fünfzehn Rennen ungeschlagen, war das Zugpferd des Rennens, ein Publikumsliebling, der „Frankel“ seiner Zeit, unbesiegt und für unbesiegbar gehalten. Und obwohl er der amtierende  Derby-Sieger des Jahres war, so hatte Roberto wenig Freunde jenseits der Rennbahn, sein Derby-Sieg kontrovers: auf Betreben des Besitzers hatte Lester Piggott in letzter Minute den Stammjockey ersetzt, was die Öffentlichkeit allen Beteiligten übel nahm,und auch wenn es nur Lesters Finesse (und starke Peitschenhilfe) war, die Roberto mit geringstem Abstand zum Derbysieger machten,  so hielten nicht wenige Experten den zweitplatzierten Rheingold für das bessere Pferd, und sogar Lester Piggott wollte sich nicht wieder in den Sattel seines Epsom-Partners schwingen. So flog man einen brasilianischen Jockey ein, von dem niemand (außer dem amerikanischen Besitzer Robertos) je gehört hatte, und es schien ja sowieso keinen Unterschied zu machen, denn wer sollte schon den Brigadier schlagen?

Was folgte, war nichts weniger als eine Sensation, die Demonstration eines hochklassigen Pferdes und eines Hussarenrittes, auf den auch ein Champion namens Brigadier Gerard keine Antwort hatte: wie ein „bat out of hell“ übernahm Braulio Baeza aus der Maschine heraus die Führung, stürmte in atemberaubendem Tempo um die Bahn, und als deutlich wurde, dass Rheingold (unter Lester Piggott) keine Antwort wusste, legte der dunkelbraune Hengst erneut zu und löste sich auch vom Brigadier auf über 3 Längen, unter dem atemlosen Schweigen der geschockten Rennbahnbesucher. (Der Rest ist Geschichte: Brigadier Gerald gewann seine verbleibenden zwei Rennen und beendete seine Laufbahn mit dieser einzigen Niederlage, während Roberto kein weiteres Rennen mehr gewinnen konnte. In der zweiten Karriere hätten die Schicksale ebenfalls nicht unterschiedlicher sein können, denn während der Brigadier ein tief enttäuschender Deckhengst wurde, hinterließ Roberto eine Vielzahl hochklassiger Söhne, die sich auch selber als Deckhengste behaupteten).

Kurz darauf wurde die großartige Dahlia, geritten von Lester Piggott und in Frankreich von Maurice Zilber trainiert, die erste von bisher drei Doppelsiegern des Rennens (Sir Michael Stoutes Ezzoud und Godolphins Halling sind die anderen); auch sie eine wahre Ikone des Sports, das erste Rennpferd, das mehr als eine Million Dollar an Preisgeldern eingaloppierte; sie gewann Rennen in Frankreich, Irland, England, den USA und Kanada und war eine der ersten wahren Jet-Setterin des Sports, die später in ihrer Karriere dann noch in die Obhut des legendären amerikanischen Trainers Charlie „The Bald Eagle“ Whittingham kam. In Zeiten, in denen das Reisen für Pferde sicher ungleich aufwendiger und anstrengender war als heutzutage, gewann diese einmalige Fuchsstute u.a. die Irish Oaks, die King George IV and Queen Elizabeth Stakes, die Washington DC International und die Man o´ War Stakes. Sie starb im Alter von 31 Jahren im Jahr 2001.

Henry Candy, der in den Nunthorpe Stakes am Freitag einen der Favoriten sattelt, gewann das Rennen im Jahr 1980 mit Master Willie, David Elsworth, dessen Arabian Queen im Vorjahr als 50-1 Außenseiterin den großen Golden Horn besiegte, führte bereits im Jahr 1990 die Stute In The Groove zum Sieg, dazwischen war es 1987 die einmalige Triptych, die, geprüft wie kaum eine Rennstute ihrer Zeit, einen ihrer 18 Siege von 41 Starts in nahezu jedem bedeutenden Rennen der Welt, hier eingaloppierte.

Halling, der bisher letzte Doppelsieger des Rennens, war einer der ersten großen Stars des Godolphin-Imperiums von Scheich Mohammed. Als Dreijähriger noch mehrfacher Handicap-Sieger, wechselte der Fuchs im Jahr 1994 in die Obhut von Saeed bin Suroor und gewann neben zwei Eclipse Stakes eben auch „unser“ Rennen zweimal in Folge, beim zweiten Sieg im Jahr 1996  wurde er von einem jungen Frankie Dettori geritten, der also vor genau 20 Jahren das  Rennen zum ersten Mal gewann. Halling sicherte sich  im selben Jahr Champion Older Horse - Ehren in England, und wenn er auch nie ein wirklicher Mode-Hengst wurde, so war er über lange Jahre eine Quelle eisenharter Steher, die ihren Besitzern viel Freude bereiteten. Halling starb früh in diesem Jahr im Alter von 25 Jahren.

Wie die Eclipse und der King George ziehen auch Juddmonte International einen Teil der Faszination aus dem Clash der Generationen, Dreijährige gegen ältere Pferde. Neben den Eclipse, die manch einem Trainer zeitlich zu nahe am Derby liegen, sind die International Stakes ein Rennen, welches Trainer gerne nutzen, ihre Derby-Sieger auf eine „kommerziellere“ Distanz zurück zu führen. Seit dem Jahr 2000 haben fünf Dreijährige das Rennen gewonnen,  mit Authorized, Sea the Stars und Australia drei amtierende Epsom Derby Sieger, während die Stute Arabian Queen wie bereits erwähnt im letzten Jahr in einem der Schock-Ergebnisse der Saison Golden Horn besiegte, der natürlich anschließend den Arc de Triomphe gewinnen und sich im Breeder´s Cup Turf nur der ebenfalls dreijährigen Stute Found geschlagen geben musste; tatsächlich waren dies seine einzigen beiden Niederlagen, die somit unter identischen Gewichtsverhältnissen der Stutenerlaubnis zustande kamen. 

Es ist schwer, aus der illustren Siegerliste einige wenige Pferde auszusuchen, unmöglich, die Erinnerung an einen drückend überlegenden Sakhee, der im Führring voller Selbstbewusstsein nach den andern Hengsten schrie, mit denen an den wunderbaren, eisenharten Falbrav zu vergleichen, an Giant´s Causeway, Nayef, Royal Anthem, oder den hochklassigen Rip van Winkle. Aber kein Rückblick auf dieses Rennen ist vollkommen ohne an den einzigartigen Frankel und seinen Trainer Sir Henry Cecil  (der zwischen unzähligen Erfolgen in nahezu allen bedeutenden Rennen Europas  vier Sieger dieses Rennens trainierte, erstmals im Jahr 1976 mit Wollow (unter Frankies Vater Gianfranco Dettori))  zu erinnern, Legenden beide und beide für immer verbunden durch einen makellosen Rennrekord im Ansicht der schweren Erkrankung des Trainers. Es war eine der Launen des Schicksals, unverhofft, unerklärlich, die dieses so ungemein talentierte Pferd in die Hände des genialen Trainers Cecil führte, der krönenden Höhepunkt und zugleich Abschluss eines einzigartigen Trainerlebens. Der kraftstrotzende, so lebendige Hengst neben seinem Trainer, der der tödlichen Krankheit in unbeugsamer Haltung die Stirn bot und all seinen Lebenswillen aus diesem einen Pferd zu ziehen schien. Es war wohlmöglich der emotionalste Sieg des Frankel, und Cecil, in Schottland geboren aber mit familiären Wurzeln in Yorkshire, konnte ihn in vollen Zügen geniessen, er „fühle sich 20 Jahre jünger“, sagte er nach dem Rennen. Eines der Eingangstore zur Rennbahn wurde in seinen Ehren benannt, und eine Frankel-Statue inklusive einiger Schautafeln grüssen den Besucher in der Nähe des ehemaligen Pre-Paraderings.

Die Yorkshire Oaks sind das zweite Gruppe I-Rennen, das - natürlich am Ladys Day - beim Ebor Festival ausgetragen werden. Wie der Name andeutet, ist es ein Rennen für Stuten, und, im Jahr 1849 erstmals gelaufen, war es ursprünglich tatsächlich nur auf dreijährige Pferdedamen beschränkt.  Seit 1991 ist das Rennen kein „klassisches“ Rennen im Sinne der Epsom Oaks mehr, sondern auch offen für ältere Ladys, führt aber von jeher über die selbe Distanz von 2400m. Kurz drauf sah das Rennen seine erste Doppelsiegerin mit Only Royale, etwas, das nach ihr nur der wunderbaren Islington in den Jahren 2002 + 03 gelang. Mit jeweils neun Siegen sind Matthew Dawson, dessen Schützlinge zwischen den Jahren 1864 und 1886 triumphierten, und Sir Michael Stoute die erfolgreichsten Trainer des Rennens. Mit Queens Trust versucht der Trainer heute vergeblich, seinen Namen tiefer in die Geschichtsbücher zu einzubetten, sie wurde Dritte. Wahrhaft legendäre Stutennamen finden sich in der Siegerliste, die später erfolgreiche und hochdekorierte Mutterstuten wurden und sogar - mit den Lupe Stakes - ein eigenes, nach ihnen benannte Rennen erhielten: Petite Etoile, eben die erwähnte Lupe, Sun Princess, Diminuendo, Hellenic, User Friendly, Pure Grain, Ramruma, Petrushka oder Alexandrova sind nur einige Namen, die Rennsportfans nur zu gerne erinnern. 

Ein Rückblick auf die Geschichte der des Gruppe 1 Sprints, der Nunthorpe Stakes, erfolgt in der nächsten Ausgabe der Turf-Times. 

Catrin Nack

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