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Artic Fires erster Gr. I-Erfolg

Autor: 

Catrin Nack

TurfTimes: 

Ausgabe 396 vom Donnerstag, 03.12.2015

Des einen Freud ist des andern Leid, und während sich hierzulande der Rennsport mehr oder weniger auf die Basisklasse auf der Sandbahn beschränkt, ist in England und Irland der Hindernissport  in vollem Gange. Ein Highlight jagt das nächste, und wie auch in der Flach-Saison konzentriert sich - vor allem in England  - der Sport mehr und mehr auf den Samstag. Der Begriff "Saturday-horse" ist inzwischen keine neue Wortschöpfung mehr, und dies ist genau, was ein jeder Trainer braucht: ein Pferd, welches seinen Namen an eben diesem Tag in die Schlagzeilen bringt, dem Tag, an dem Pferderennen allwöchentlich auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen sind.

Trainer Alan King konnte nach Annacotty in Cheltenham nun mit Smad Place den Hennessy Gold Cup zu Newbury gewinnen; seinem zweiten großen Samstags-Sieg der Saison. Auch im 59. Jahr - die Verbindung zum Hennessy Cognac ist damit das längste Sponsoring im englischen Sport - ist das Rennen nach wie vor eines der Highlights einer Saison, ein "Klassiker" beinahe, und wird regelmäßig von Pferden mit Cheltenham Gold Cup- oder Grand National- Aspirationen bestritten. Vier Pferde - Arkle, Bregawn, Denman und Bobs Worth - gewannen den Hennessy Gold Cup und Cheltenhams Version in der gleichen Saison,  Many Clouds war im letzen Jahr das erste Pferd, welchem das Newbury - Aintree Doppel gelang; in Newbury platzierte Pferde haben in Aintree schon häufig von sich Reden gemacht, und vor allem die Pferde mit Höchstgewicht haben sich über die Jahre als viel mehr als reine Handicapper bewiesen;  Sieger wie Mill House, Arkle, Burrough Hill Lad, Trabolgan oder Denman waren selbstredend veritable Gruppe-Pferde, wenn sie nicht gleich gar Champions der Sphäre waren.

Der diesjährige Sieger Smad Place ging mit der Nr. 5 ins Rennen - das Höchstgewicht zu schultern oblag Paul Nicholls´ Saphir Du Rheu - und somit musste er dem größten Teil des Feldes sehr wohl Gewicht geben. Dem Puristen werden solche Rechnereien egal sein: Der nun 8jährige französisch gezogene Wallach, der sich in diesem Jahr erstmals völlig weiß präsentierte, erinnerte am vergangenen Samstag nicht nur der Farbe nach an einen der unvergessenen Lieblinge des Sports, auch sein "never-say-die" Stil mit atemberaubenden Sprüngen von der Spitze aus ließen nicht wenige unvermeidlich an eben Desert Orchid denken (auch wenn der dieses Rennen selber nie gewann). „Ich hatte Wayne (Hutchinson) weitgehend freie Hand gelassen, aber ich hatte nicht gedacht, dass er so mutig sein würde“, so ein atemloser Alan King nach dem Rennen, und „der Start vor einem Monat hat solch einen Unterschied gemacht. Im letzten Jahr dachte ich, besonders clever zu sein, und hier mit einem frischen Pferd ohne Aufbaurennen zu starten, und der Arme war völlig erschöpft und hat sich die ganze Saison nicht richtig erholt. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt“, so ein offener King, dessen Stall nach dem tödlichen Unfall eines Stallangestellten diesen „Boost“ ganz besonders nötig hatte.

Es war der siebte Sieg bei 26 Starts für Smad Place, der nach dem kurzfristigen Ausfall von Coneygree durchaus gut gewettet war und als einer der Mitfavoriten an den Start ging. Vier Jahre in Folge hat er sein Team nun nach Cheltenham zum Festival geführt, und wenn es auch dort zu einem vollen Sieg bisher noch nicht gereicht hat, so hat sich der Schimmel im Prestbury Park alljährlich mehr als achtbar aus der Affäre gezogen: immer auf Grade 1-Level unterwegs, war er zweimal Dritter in der World Hurdle und in 2015 Zweiter in der RSA Chase, dem „Gold Cup für Nachwuchs-Chaser“. Der Cheltenham Gold Cup ist nun natürlich das erklärte Ziel, vorher plant King einen Start am Trials Day an gleicher Stätte. Paul Nicholls´ Saphir Du Rheu gelang es auf dem weichen Boden nicht, sein Höchstgewicht zum Sieg zu tragen, auch sein Springen ließ bisweilen zu wünschen übrig; nun erinnert sich auch Nicholls einem seiner ganz Großen und wird Saphir Du Rheu auf der Big Buck´s Route (zurück über Hürden) Richtung Cheltenham - Ziel: World Hurdle - führen. Auch der ehemalige Gold Cup Sieger Bobs Worth, der nach glühenden Berichten seines Trainers Nicky Henderson (und dem Ausfall Coneygrees) letztendlich sogar als Favorit startet, konnte dieser Rolle zu keiner Zeit gerecht werden und endete als Sechster. doch deutlich geschlagen.

Ein Trainer, der trotz phänomenaler Erfolge mit dem Hennessy Gold Cup überhaupt nicht warm wird (bleibt zu hoffen, dass der Cognac hier bessere Dienste leistet) ist Willie Mullins, dessen Be My Royal das Rennen de facto in 2002 zwar gewann, nachträglich aber wegen einer verbotenen Substanz disqualifiziert wurde. (Es handelte sich um verunreinigtes Futter, und Mullins - oder der Futtermittel-Hersteller - haben in langjährigen Gerichtsverfahren hunderttausende von Euros verloren, als sie erfolglos versuchten, den Sieg am grünen Tisch zurück zu erhalten). Der diesjährige Starter Urano konnte diesen Trend nicht abwenden, Jockey Ruby Walsh hatte sich zudem mit seinem Hinweis, dass er den Wassergraben von Newbury eh für vorsintflutlich halten, dort kaum Freunde gemacht, und war konsequenterweise direkt gen Newcastle gereist; doch an diesem Wochenende sollten die Reisen des Team Mullins nirgendwo von Erfolg gekrönt sein: weder Wicklow Brave in der Fighting Fifth Hurdle (Gr.1) noch Gitane Du Berlais, die am Sonntag Mullins´ allererster Starter in nordenglischen Carlisle war, konnten ihre Rennen gewinnen, wobei die Letztgenannte als heiße 15:10 angetreten war.

Wie gut, dass es da einen Arctic Fire gibt. Endlich, endlich fuhr der Soldier Hollow-Sohn aus der Zucht von Uwe Grüning seinen ersten Grade 1-Sieg ein, als er im irischen Fairyhouse die Hatton´s Grace Hurdle (2m4f) gewann. Der ultra-konstante Wallach, der bei bisher 17 Rennen nur zweimal nicht ins Ziel kam und ansonsten niemals schlechter als Vierter war (bei nun fünf Siegen und sechs zweiten Plätzen musste er häufig die sprichwörtliche zweite Geige zu Pferden wie Hurricane Fly oder Faugheen spielen) trug sich damit in eine Siegerliste zu mehr als illustren Namen ein, gewannen doch u.a.  Istabraq, Solerina, Limestone Lad, Dorans Pride oder Brave Inca dieses Rennen. Mullins hat aus seiner hohen Meinung von Arctic Fire nie einen Hehl gemacht; es bleibt abzuwarten, ob man noch einmal auf die Champion Hurdle- Route (hier war Artic Fire in der letzen Saison ja Zweiter) einschwenkt, oder es doch einmal über weitere Wege Richtung World Hurdle versucht. Uwe Grüning, der mit seiner einzigen Stute Adelma immer wieder zeigt, dass Spitzen-Pferde nicht nur in großen Gestüten aufwachsen, hat eine Pastorius-Halbschwester gerade Richtung Irland verkauft, auch in 2016 wird ein Fohlen mit demselben Vater erwartet.

Auch jenseits dieser Rennen gab es großen Sport zwischen den Flaggen: Bereits am Freitag hatte es in Newbury mehrere interessante Rennen gegeben (das bislang dreitägige Hennessy-Meeting wird ab 2016 nun auf zwei Tage verkürzt). Gleich im ersten Rennen stellte Dan Skelton, einstmals Assistent zu Paul Nicholls, und seit rund zwei Jahren selbstständig, einen hochinteressantes Nachwuchspferd namens Kasakh Noir vor, der Richtung Triumph Hurdle marschieren soll. Später am Tag durfte Skelton mit Genugtuung zuschauen, wie sein Stall-Stall Three Musketeers die hohe Meinung seines Trainers bestätigte und auf Gr. 2 Level in der Fuller´s London Pride Novices´ Chase beeindruckend gewann. Dan Skelton hat bereits den Rest der Saison präzise geplant, fürs Festival kommen die RSA oder die JLT Chase in Frage. Im nordenglischen Newcastle gewann Trainer Henry de Bromhead die bereits erwähnte Fighting Fifth Hurdle mit Identity Thief, der Nicky Hendersons hochtaltentierten Top Notch in Schach halten konnte.

 Die Long Distance Hurdle sah nach dem Ende der Big Buck´s Herrschaft nun den dritten Sieger in ebenso vielen Jahren - noch fehlt er, der große Staying Hurdler, wie es eben Baracouda, Inglis Drever, Deano´s Beeno oder eben Big Buck´s waren - diese vier Pferde gewannen das Rennen zusammen erstaunliche 11 Mal. Ob Colin Tizzards Thistlecrack einmal in diese Klasse wächst, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass sich der Wallach in 2015 richtig gefunden hat und in Aintree bereits Grade 1 Sieger war; die World Hurdle ist natürlich das erklärte Ziel. Drüben in Irland wurde No More Heroes seiner Favoritenrolle in der Drinmore Novice Chase (Gr.1) mehr als gerecht; Trainer Gordon Elliott kann in dieser Saison mit Pferden für Michael O´Leary´s Gigginstown House Stud kaum etwas falsch machen.  Bereits am Samstag hatte diese Besitzer -Trainer Kombination mit einem echten "Talking Horse" Tombstone ein Maiden-Rennen gewonnen; ein Name, den man sich merken sollte.

Nicht vergessen dürfen wir die Nachricht, dass Rock on Ruby, ein echter Publikumsliebling und ehemaliger Champion Hurdle Sieger,  nach einer Verletzung bei der Morgenarbeit nun im Ruhestand ist. Seinerzeit noch unter dem Namen von Paul Nicholls unterwegs, wurde er schon zur Zeit seines Cheltenham-Erfolges von Harry Fry betreut, der bis zum Festival 2012 einen Abteilung des Champion Stalls selbstständig betreute. Rock on Ruby wechselte dann in die Obhut Frys, nachdem sich dieser selbstständig gemacht hatte, und konnte noch sechs weitere Male (darunter zweimal auf Gr. 2 Niveau)  für ihn gewinnen, zuletzt vor gerade einmal 14 Tagen. Fry sprach in großen Worten von den Verdiensten des 10jährigen Wallachs, nach dem er sogar seine Tochter benannt hat (sie heißt Ruby, nicht etwa Rocky). Selbstredend bleibt Rock on Ruby im Stall seines Trainers und wird dort weiterhin von dessen Frau betreut.

An diesem Samstag steht mit der Tingle Creek Chase (Gr. 1, 2m)  in Sandown der nächste Hochkaräter an. Noch vor einer Woche schien dies das Rennen des Jahres zu werden,  nun wurden in kurzer Folge die beiden Top-Namen – Sprinter Sacre und Un de Sceaux - von ihren Trainern abgemeldet. Während letzter seinen Trainer Willie Mullins in der Arbeit nicht überzeugte, war Nicky Hendersons Erklärung ebenso genial wie fatal: Sprinter Sacre gehe es ausgezeichnet, er sei fit und well, aber er brauche einfach kein Rennen, so einfach sei das.  Auch wenn man in Betracht zieht, dass Henderson zwar viel und offen mit der Presse spricht, im Kern der Sache aber immer verschlossen bleibt, ist dies natürlich eine schon beinahe skurrile Aussage;  wenn gesunde und fitte Pferde nicht laufen, wenn es die passenden Rennen für sie gibt, worauf begründet sich dann der Sinn des Rennsports? 

 

Catrin Nack

 

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